Benzinhahn aufbohren

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Felix
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Benzinhahn aufbohren

Beitrag von Felix »

Moin,

ich habe meinen Tank saniert und dabei logischerweise auch meinen Benzinhahn ausgebaut. Da ich dort auch ein Sieb und eine Dichtung erneuern musste und somit den Benzinhahn komplett zerlegt auf der Werkbank liegen hatte dachte ich mir, dass ich dort auch gleich die Durchflussrate erhöhen könnte. Mein Motor ist nicht mehr ganz original und da ist es nicht ganz klar, ob die Originaldurchmesser in jeder Situation vollkommen ausreichend sind. Nun ließt man oft, dass Leute ihren Benzinhahn aufgebohrt haben und das klingt da so leicht. Aber in der Praxis ergaben sich für mich doch einige große Fragezeichen bei der Umsetzung. Da ich nirgendwo einen Hinweis oder gar eine Anleitung gefunden habe, habe ich mir selbst einige Lösungen ausgedacht, die ich euch nicht vorenthalten will. Daher hier ein kurzer Bericht:

Fangen wir unten an. Das klingt zwar nicht ganz logisch, aber ich würde mir gern das Beste für den Schluss aufheben. Ganz unten ist bei der Kraftstoffversorgung das Schwimmernadelventil zu nennen. Dort befinden sich serienmäßig 2 Bohrungen, die bei mir schonmal um 2 zusätzliche Bohrungen erweitert wurden. Wie das gemacht wird habe ich hier im Forum auch schonmal gelesen, daher will ich darauf nicht weiter eingehen. Als nächstes kommen die Schlauchnippel der Kraftstoffleitung. Experten dürfte bereits aufgefallen sein, dass die Schlauchnippel der moderneren Trabis mit KMVA einen deutlich kleineren Innendurchmesser (3,5mm) haben als die Schlauchnippel der metallgewebeummantelten Benzinschläuche (4,5mm) die es vor der KMVA gab. Ich habe mir daher einen ollen metallgewebeummantelten Benzinschlauch rausgesucht, den ich auf Grund seines desolaten Zustandes eh nicht mehr einsetzen würde. Mit einer Trennscheibe auf dem Dremel und einer Kneifzange kann man die Schlauchhülsen an den Enden sehr bequem entfernen und die Schlauchnippel vorsichtig extrahieren. Die Schlauchnippel habe ich noch auf 5mm Innendurchmesser aufgebohrt. Meiner Meinung nach ist die Wandstärke dann immernoch ausreichend. Wesendlich mehr würde ich aber nicht probieren wollen. Das geht natürlich nicht freihand mit der einfachen Bohrmaschine. Die Nippel müssen gut eingespannt werden und eine Standbohrmaschine sollte auch vorhanden sein.

Als Kraftstoffschlauch hatte ich bisher einen mit 6mm Innendurchmesser. Diesen habe ich durch einen mit 7mm Innendurchmesser ersetzt. Sollte der Gummi noch ein wenig aufquellen habe ich so noch Reserven. Komischerweise steckt dieser Schlauch am oberen Schlauchnippel sehr eng und fest. Am unteren Schlauchnippel ging er jedoch so leicht drauf, dass ich bedenken hatte er könnte irgendwann mal abrutschen. Ich habe daher dort eine Schlauchschelle zur Sicherheit montiert.

Oben am Benzinhahngehäuse ist das Vorgehen auch noch recht einfach. Ich habe die 3 Bohrungen die von der 4-Loch-Dichtung aus sichtbar sind mit einem 5mm Bohrer geweitet. Diese Bohrungen sind nur minimal enger, also alles kein Problem. Auch hier würde ich nicht freihand arbeiten, sondern ordentlich einspannen und eine Standbohrmaschine verwenden. Das Benzinhahngehäuse hat unten noch 2 Bohrungen zum Wassersack hin. Die eine ist für den Feinfilter und hat einen ausreichenden Durchmesser. Die andere Bohrung habe ich gerade nicht mehr so recht im Kopf. Aber egal, auch diese ist im Zweifelsfall leicht nachgebohrt. Der Anschluss für den Kraftstoffschlauch ist ebenfalls bereits ab Werk ausreichend dimensioniert. Auch der Drehschieber der auf der 4-Loch-Dichtung sitzt, hat eine Nut die 5mm breit und 4mm tief gefräst ist. Da ihr Querschnitt rechteckig ist, ist er ungefähr genauso groß wie der Querschnitt der auf 5mm aufgebohrten Löcher. Eine komplizierte Nachbearbeitung kann man sich also sparen, wenn man alles auf 5mm Durchmesser ausgelegt hat - so wie ich das gemacht habe. Soweit alles kein Problem. Jetzt kommen also endlich die Stellen, für die man sich schon ein paar Gedanken machen muss.

Die 4-Loch-Dichtung: Diese Dichtung hat Löcher mit einem Durchmesser von 4mm. Seit geraumer Zeit setze ich bereits auf die 4-Loch-Dichtungen aus Viton die man bei Trabantwelt kaufen kann. Mein erster Versuch war es, die Löcher mit einem Stanzeisen zu vergrößern. Leider verformt sich der Gummi so sehr bevor das Stanzeisen schneidet, dass die Löcher sehr ungenau und ausgefranzt werden. Das war keine zufriedenstellende Lösung. Ich habe mir daher eine kleine Vorrichtung gebaut in welche ich die Dichtung einspannen kann. Die Vorrichtung besteht im Wesendlichen aus einem Kunststoffwürfel und einer Plexiglasscheibe. Die Scheibe wird auf den Würfel geschraubt und dazwischen die Dichtung gelegt. Die 4 Schrauben zieht man nun mit Gefühl an um die Dichtung nicht zu sehr zu verformen. In der Plexiglasscheibe befindet sich ein 5,5mm großes Loch. Die Dichtung habe ich darunter exakt so ausgerichtet, dass das originale 4mm Loch genau zentriert unter dem 5,5mm Loch sitzt. Diese Vorrichtung habe ich auf meiner Drehbank eingespannt. Sie dient dazu, das Loch der Dichtung genau zu treffen und die Dichtung so zu halten, dass sie sich nicht großartig verformen kann.

Der zweite Teil meiner Vorrichtung besteht aus einem Messigröhrchen mit 5mm Außendurchmesser. Dieses Röhrchen habe ich an einem Ende von innen angephast, so das es am Ende eine recht dünne und damit scharfe Wandung besitzt. Das Röhrchen habe ich dann ins 3-Backfutter meiner Drehbank gespannt und quasi als Fräser benutzt. Die Vorrichtung mit der 4-Lochdichtung habe entsprechend dazu ausgerichtet. Ich hoffe man kann das auf den Fotos gut erkennen. Nun konnte ich mir die 5mm Löcher einfach aus der Dichtung rausfräsen. Auf dem Bild sieht man meine gebrauchte Dichtung an der ich bei den unteren 3 Löchern mit dem Stanzeisen geübt habe. Das obere Loch habe ich dann mit meiner Fräßvorrichtung gefertigt. Oben drüber liegt sogar das kleine Abfallstück. Ich bin mit dieser Lösung sehr zufrieden und habe natürlich nochmal eine neue Dichtung hergenommen und dort nur 3 der Löcher vergrößert.

Nun muss der Kraftstoff nurnoch ungehindert in den Benzinhahn hineinfließen. Das tut er je nach Stellung des Wahlhebels entweder durch das Reserveröhrchen (in Normalstellung) oder durch die andere Öffnung oben im Benzinhahn (in Reservestellung). Die Öffnung für die Reservestellung scheint mir ausreichend dimensioniert und bedarf meiner Meinung nach keiner weiteren Bearbeitung. Das Reserveröhrchen - so simpel es auch aussehen mag war am Ende die größte Herausforderung. Ab Werk stellt es meiner Erkenntnis nach mit gerademal 3mm Innendurchmesser auch den größten (bzw. kleinsten) Flaschenhals dar. Wer hier keine Lösung findet, kann sich die ganze Arbeit sparen oder muss auf die Reservestellung verzichten, was ich auf keinen Fall wollte.

Da ich noch genug von dem Messingrohr mit 5mm Außendurchmesser übrig hatte habe ich mir daraus ein neues Reserveröhrchen gefertigt. Mein Rohr hat einen Innendurchmesser von 4,5mm. Ich komme daher nicht durchgehend auf einen Innendurchmesser von 5mm in meiner Kraftstoffversorgung. Aber immerhin sind es überall mindestens 4,5mm. Zurück zum Rohr: Das Röhrchen mit 5mm Außendurchmesser passt leider noch nicht ganz in die Bohrung des Benzinhahngehäuses. Ich habe es daher an einem Ende auf der Drehbank etwas im Außendurchmesser verjüngt. Da ich mir die Drehbank gerade erst angeschafft habe und eigentlich keine Ahnung von der Materie habe brauchte ich 3 Versuche bis ich ein Röhrchen hatte das an einem Ende gerade so zu groß war um es in das Benzinhahngehäuse zu stecken. Dann habe ich das Gehäuse mit einem Heißluftfön erhitzt und das Röhrchen vorsichtig mit der Hand eingepresst. Das tat im Nachhinein ganzschön weh, aber was tut man nicht alles für seine Pappe. Nach dem Abkühlen sitzt es jetzt jedenfalls bombenfest. :)

Ich hoffe die Bilder reichen um alle Defizite in der Beschreibung auszugleichen. ;)

Ja, aber was nützt ein Umbau, wenn man nicht validiert, was es gebracht hat? Vor dem Umbau kam sowohl in der Reservestellung als auch in der Normalstellung aus meinem Kraftstoffschlauch am unteren Ende nach dem Schlauchnippel auf Höhe des Vergasers knapp 400ml pro Minute raus. Für die Serie ist das absolut ausreichend und eigentlich schon ein guter Wert. Nach meinen Modifikationen sind es nun grandiose 800ml pro Minute in beiden Stellungen. Damit bin ich sehr zufrieden. Man kann einen richtig fetten Kraftstoffstrahl beobachten. Das sollte für jede Lebenslage ausreichend sein. Natürlich müsste man eigentlich hinter dem Schwimmernadelventil messen. Das habe ich aus Zeitmangel nicht mehr gemacht. Ich gehe aber davon aus, dass mein modifiziertes SNV kein Flaschenhals darstellt. Bei nächster Gelegenheit werde ich diese Messung aber nochmal nachholen.

Abschließend kann man sich natürlich schon fragen was der Quatsch soll. Wenn der Motor so viel Kraftstoff braucht, dann kann man ja auch auf eine Benzinpumpe umbauen. Klar, kann man. Aber mich hat es interessiert, was dahinter steckt, wenn mir jemand erzählt er hätte erfolgreich seinen Benzinhahn aufgebohrt. Außerdem ist diese Modifikation im Gegensatz zur Kraftstoffpumpe nicht zu sehen und bringt keine neuen Fehlerquellen ins Auto.

Na wie auch immer. Ich hoffe der eine oder andere, der in Zukunft vor diesem Rätsel steht, kann in meinem Beitrag ein paar Anregungen finden. :)

Viele Grüße von der Küste, Felix
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Das fertig montierte Reserveröhrchen
Das fertig montierte Reserveröhrchen
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Spannvorrichtung für die Benzinhahndichtung
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Lochfräser in Drehbank eingespannt
Lochfräser in Drehbank eingespannt
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Fräsen der 4-Lochdichtung 1
Fräsen der 4-Lochdichtung 1
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Fräsen der 4-Lochdichtung 2
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Die 3 unteren Löcher sind mit dem Stanzeisen entstanden. Das Ergebnis hat mich nicht zufrieden gestellt. Das obere Loch ist mit meiner Fräsvorrichtung gefertig.
Die 3 unteren Löcher sind mit dem Stanzeisen entstanden. Das Ergebnis hat mich nicht zufrieden gestellt. Das obere Loch ist mit meiner Fräsvorrichtung gefertig.
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Was Loriot wirklich meinte: Ein Leben ohne Trabant ist möglich, aber sinnlos!
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duesentrieb
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Re: Benzinhahn aufbohren

Beitrag von duesentrieb »

Eine äußerst ausführliche Beschreibung! :)
Gut gemacht!
Vielen Dank für die Mühe und immer eine handbreit Sprit im Tank! :) :) :)

LG
Unmögliches wird sofort erledigt,
nur Wunder dauern länger!
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Felix
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Re: Benzinhahn aufbohren

Beitrag von Felix »

Tja, mit so einem komplexen Bauteil wie dem BH kann man sich eben lange beschäftigen. :)

Oder anders gesagt: Man kann mit einem BH eben mehr machen als ihn nur zu öffnen und zu schließen. :D
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trabidriver
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Re: Benzinhahn aufbohren

Beitrag von trabidriver »

Wobei Textil interessanter als Metall ist. :wink:
Was uns Trabifahrer nicht umbringt - macht uns härter!
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