Noob hat Fragen

Hier die aktuellen Themen, die nicht die Themen Technik oder Treffen berühren
Antworten
Sachunverständiger
Beiträge: 2
Registriert: 23.05.2023 08:54
Wohnort: Ingolstadt

Noob hat Fragen

Beitrag von Sachunverständiger »

Erst einmal ein herzliches Moin in die Runde (ich bin norddeutscher Wirtschaftsflüchtling, der in Bayern lebt, da will ich mit einem Servus erst gar nicht falsche Tatsachen vorspiegeln).

Ich habe mich bei einem Wochenend-Trip nach Rügen zum ersten Mal hinter das Lenkrad eines gemieteten Trabant 601 S (Limousine) geschwungen und war total begeistert. Dieses Fahrzeug hat einen besonderen, so komplett aus der Zeit gefallenen Charme. Auch wenn die Bremsen bei dem Exemplar, was ich unter dem Hintern hatte, auch eher symbolische Wirkung hatten und in einer Tour schiefzogen (bin dann dazu übergegangen, nicht auf's Schiefziehen zu warten, sondern direkt mit dem Pedaldruck gegenzulenken).

Seither überlege ich, ob ich mir so ein Schätzchen für gemächliche Sonntagsausfahrten auf oberbayerischen Straßen zulegen sollte (am liebsten ein hellblauer 601 S als Limousine mit Kopfstützen), bin aber unsicher, wie das richtig anzugehen ist. Einfach irgendwas über mobile.de zu kaufen, führt sicher geradewegs in die Katastrophe (zumal ich keine ernstzunehmende Schrauber-Vorerfahrungen habe).

Daher meine Fragen an Euch:

1. Auf welchem Preisniveau kann man damit rechnen, ein halbwegs gesundes Fahrzeug ohne gigantischen Reparaturbedarf zu bekommen?

2. Worauf sollte ich beim Kauf eines Trabant grundsätzlich achten? Kann ich gängige schwerwiegende Probleme als Laie erkennen?

3. Gibt es Spezialwerkstätten? Wie ist die Ersatzteilversorgung?

4. Kann man sich (guten Willen vorausgesetzt) das notwendige Schrauberwissen selber draufschaffen?

Ich weiß, dass sind eine Menge Fragen für den Anfang, aber vielleicht helft Ihr ja einem Noob wie mir auf die Sprünge.

Danke schon einmal für Eure Hilfe.
Benutzeravatar
duesentrieb
Beiträge: 656
Registriert: 28.01.2007 17:08
Wohnort: DE 84405 Esterndorf
Kontaktdaten:

Re: Noob hat Fragen

Beitrag von duesentrieb »

Hallo Sachunverständiger! :)

Eine schöne Vorstellung! :)
Wo bist Du nun in Bayern wohnhaft?

Zu den Fragen
Zu 1.
Da ist es schwierig eine Schätzung abzugeben. Die Wertvorstellungen mancher Verkäufer sind mitunter etwas daneben, da oft aus Unkenntnis des wahren Zustandes ein zu hoher Preis angesetzt wird.
Für ein rostarmes Fahrzeug ohne großen Wartungsstau wird die Reise so bei 2 - 3.000 € beginnen.

Zu 2.
Es gibt im Internet inzwischen eine Vielzahl von Infos / Videos auf was man achten sollte. Sich da mal umzusehen schadet nicht.
Ich würde die Baujahre Ende 84 bis 89 vorziehen.
Diese haben 12 V und die robusteren Gleichauf-Antriebswellen. Bei Fahrzeugen ab Mitte 89 bis zum Schluss ist die Verarbeitungsqualität wie auch die spätere Pflege in der unmittelbaren Nachwendezeit oftmals schlecht.
Ein niedriger Kilometerstand alleine ist kein verlässliches Indiz, ob es sich dabei um ein gutes Fahrzeug handelt. Es sind einige Stehzeuge auf dem Markt, die sich bei näherer Betrachtung als Großbaustelle erweisen.
Wichtig ist, ob das Fahrzeug trocken ist. Fußmatten, Teppiche hochheben. Sehen, riechen, fühlen.
Wurde regelmäßig gewartet, also gemäß Wartungsplan abgeschmiert, etc.
Z. B. mangels ausreichender Schmierung verschlissene Gelenke an der Vorderachse fachgerecht zu ersetzen, ist für Anfänger keine leichte Fingerübung.
Rost kann ein großes Thema sein, wenn das Fahrzeug unbehandelt länger der Witterung ausgesetzt war.
Zu DDR Zeiten war es üblich das Blech mit dem braunen, zähen Elaskon zu konservieren. Wurde das nicht (im erforderlichen Maße) gemacht, dann herrscht oftmals der Gilb unter den Beplankungsteilen.
Blasenentzündungen an den Übergangsstellen Blech-Plaste sind dann die Folge und die fachgerechte Sanierung kann aufwendig werden. Die Radläufe innen anfassen und ggf. mit dem Handballen gegen den Radlauf klopfen. Fühlt es sich nicht kompakt an und gibt womöglich knirschend nach, dann ist das unpraktisch, muss aber kein KO-Kriterium sein, wenn sonst sich die braune Pest zurückgehalten hat.

Zum Motor: Prinzip bedingt ist so ein 2-Takt Motor nicht unendlich haltbar. Kolben / Zylinder haben eine mittlere Grenznutzungsdauer gemäß Herstellerangabe von 60.000 km, die Kurbelwelle kann doppelt so lange halten - was aber nicht so oft vorkommt.
Ein gesunder Motor ist frei von Klapper-/ Scheppergeräuschen und sollte nach Möglichkeit nicht völlig eingesaut sein. Etwas Schmiere unten am Vergaser und unten am Flansch zum Getriebe ist normal.
Getriebe; Ein wirklich vollständig öldichtes Getriebe gibt es nicht. Dem damaligen Stand der Technik zufolge ist es normal, dass es unterhalb der Schaltstange, wie rund um die Getriebeentlüftung wie auch am Tachoantrieb ölfeucht ist. Auch die verschiedenen Verschlussdeckel und Schrauben neigen zur Inkontinenz. Handlungsbedarf besteht, wenn ein ausdrücklicher Hang das Revier zu markieren vorliegt.

Bremsen: Diese sind mit die Wartungsintensivsten, die es gibt. Das von Dir beobachtete Schiefziehen ist sehr wahrscheinlich auf ein Problem mit einem oder mehreren Radbremszylindern zurückzuführen, der/die entweder undicht oder fest oder beides ist/sind. Aber davor braucht man eigentlich keine großen Berührungsängste zu haben, denn diese Verschleißteile sind ohne Probleme in verschiedenen Qualitäten erhältlich und es bedarf keine speziellen Werkzeuge oder Fähigkeiten. Gesunder technischer Menschenverstand ist dafür ausreichend. (Bei Fahrzeugen vor Gleichlauf-Antriebswellen ist ein spezieller Abzieher notwendig, um die Radnabe vom konischen Achsstumpf zu bekommen.)

Zu 3.
Ja. Z. B.
Auto Wachsmuth
Siemensstraße 6 Ort:85521 Ottobrunn Land:Bayern
Telefon:089 6096909
Fax:089 6083945
www.autowachsmuth.de

Und dann gibt es noch den Matze (Matthias Lange), der in der Nähe von Erding bei allen Belangen behilflich sein kann.

Die Ersatzteilversorgung ist heute gut. (Wesentlich besser als zu DDR-Zeiten.) Im Vergleich zu vielen anderen Oldtimern traumhaft gut. Sicher sind speziellere Originalteile wie z. B. neue Chromstoßstangen nicht mehr an jeder Ecke für kleines Geld zu bekommen, aber alles was man braucht um das Auto fahrbereit zu halten ist ohne Probleme zu bekommen. Bei nachgefertigten Teilen kann es passieren, dass diese nicht immer hinsichtlich Qualität und Haltbarkeit dem Original entsprechen. So z. B. sind die billigen Bremsbacken weniger empfehlenswert. Da ist der Mehrpreis für ATE oder Cosid Backen gut angelegt.
Man sollte etwas aufpassen wenn einem die Begriffe "Premium" und "regeneriert" begegnen.
Der bei manchen Teilehändlern etwas inflationär verwendete Begriff Premium bezeichnet Nachbauteile, die etwas besser sein können als das billigere Teil ohne diesem Zusatz, aber nicht immer besser sein müssen als ein Originalteil. So. z. B. bei Lagerbuchsen für die Vorderachse.
Der Begriff "regeneriert" ist nicht geschützt. So ist z. B. eine regenerierte Lichtmaschine regeneriert, wenn diese zerlegt und gereinigt wieder zusammengebaut wurde - ohne die Kugellager zu erneuern. Die Qualität bei manchen regenerierten Teilen ist deshalb starken Schwankungen unterzogen.

Zu 4.
Ja, das kann man. :)
Jeder mit technisch sehendem Auge bekommt das hin. Die einschlägige Literatur ist kostenlos für jedermann via Internet zu bekommen.
So z. B. das Standartwerk Whims - "Wie helfe ich mir selbst - Trabant 601" von Metzner-Ungethüm gibt es, wie viele andere Infos hier:
https://trabitechnik.com/index.php?page=43
Und dann gibt es noch das Forum hier. :)


LG
Unmögliches wird sofort erledigt,
nur Wunder dauern länger!
Sachunverständiger
Beiträge: 2
Registriert: 23.05.2023 08:54
Wohnort: Ingolstadt

Re: Noob hat Fragen

Beitrag von Sachunverständiger »

Hallo duesentrieb,

vielen Dank erst einmal für die herzliche Begrüßung und die umfangreichen Informationen. Ich wohne in Ingolstadt und damit fast in der Mitte von Bayern. Als Sofortmaßnahme arbeite ich zunächst einmal den Whims 1990 durch und schaue Videos bei YouTube. Wenn jemand konkrete Empfehlungen hat, was ich da sinnvoll anschauen kann, bin ich sehr dankbar. Parallel checke ich bei mobile.de, was so den Markt kommt. Ich bin, wenn's sein muss, auch bereit, quer durch's Land zu überführen. Wobei mir natürlich klar ist, dass so ein Besichtigungsbesuch auch in der Erkenntnis enden kann, dass ich besser die Finger von dem Wagen lasse. Falls Ihr noch weitere Portal wisst, auf denen regelmäßig Trabanten angeboten werden, bitte Bescheid geben. Dann behalte ich die auch im Blick. Wobei ich auf Deinen Hinweis hin mein Suchraster auf die Baujahre Ende 1984 bis Mitte 1989 einschränke.

LG
Antworten