DDR Besuch 1975 Teil 1

Von einem Bekannten erfuhr ich, dass man in Sonderfällen auch eine Einreisegenehmigung mit dem Auto erhalte. Da ich mit meiner Frau und meinen 2 Kindern fahren wollte, ließ ich mir auf Grund meines schweren Unfalles von meinem Orthopäden ein Attest ausstellen.

Nachdem die DDR Behörden die Einreise mit dem Auto genehmigt hatten, fuhren wir mit einem VW 1600 TL in die DDR. Im Glauben die Pässe hätten noch genügend Gültigkeit, vergewisserte ich mich nicht, was ein grober Fehler meinerseits war. Ein freundlicher DDR Grenzvorposten stellte fest, dass der Pass meiner Frau in Kürze seine Gültigkeit verliert. Er bat uns den kleinen Parkplatz zu anzufahren um im Grenzgebäude eine befristete Verlängerung zu beantragen. Zu unserem Erstaunen gab es bei den Beamten keinerlei Schwierigkeiten. Nach kurzer Zeit wurde uns eine provisorische Verlängerung ausgehändigt und ein schöner Aufenthalt in der DDR gewünscht.

Da wir uns vom Parkplatz wieder in die Autoschlange bis zum Kontrollpunkt einreihen mußten, stoppte ein Polizeibeamter den Verkehr. Ein polnischer Fahrer wollte uns aber keinen Vortritt lassen. Mit verbissenem Gesicht und fletschenden Zähnen sah er er zu uns herüber und fuhr in seinem Polski-Fiat mit Vollgas dem Vordermann auf. Nachdem der Sachschaden erheblich war, war Aktion geboten, er wurde aus dem Auto heraus sofort verhaftet und abgeführt. Als man die demolierten Fahrzeuge zur Seite geschoben hatte, gab uns ein Beamter mit einem Wink die Möglichkeit einzuscheren. Die Kontrolle am Grenzpunkt verlief ohne Probleme.

Ich war etwa einen Kilometer gefahren, da sah ich in ca. 100m einen dunklen Fleck auf der Fahrbahn. Es stellte sich beim Näherkommen als ein 50 x 50 cm großes Loch heraus, welches auch noch in den folgenden Besuchsreisen vorhanden war. Diese Stelle führte eines Tages zwischen der DDR und Italien zum Eklat, als ein Italiener mit Vorderachsschaden aus dem Auto ausstieg und zur Grenze zurückgehen wollte. In der Annahme es handle sich hier um einen Republikflüchtigen, wurde er aus dem Wachturm von einem Grenzposten erschossen.

Da wir wegen unserer Schulkinder die Osterferien ausnützen wollten, waren wir am Karfreitag losgefahren. Während auf unserer Seite schönes Wetter herrschte, trat nach der Grenze plötzlich Nebel auf. Im Nebel konnten wir schemenhaft Leute auf den Feldern sehen die Kartoffel legten. Da im vorausgegangenen Jahr im Bundesgebiet die Kartoffeln wegen Knappheit teuer waren, nahmen die Bundesbürger die Kartoffeln aus der DDR in den Westen mit. Aus Spass sagte ich zu meiner Frau, nun verstecken sie schnell die Kartoffeln.

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Foto aus 'Straßen der DDR' von Michael Krone, Verlag SCHNEIDER TEXT

Die Fahrt verlief trotz leichtem Nebels bis Dresden ohne besondere Vorkommnisse. Als wir aber auf der Dresdner Elbbrücke ankamen, herrschte totales Chaos. Im dichter gewordenen Nebel waren 32 Autos ineinander gefahren, da die Trümmer der vielen zerfetzten Fahrzeuge auf der Autobahn umherlagen, kam mir der Gedanke an ein Schießmanöver. Nach einiger Zeit hatte die Polizei alles im Griff und lotste uns durch die geschrotteten Wracks. Am nächsten Tag stand in der Kamenzer Lokalzeitung, dass es 5 Tote und 24 Schwerverletzte gegeben. Von den 32 Autos waren 17 Schrott, der Rest zum Teil erheblich beschädigt.

Bei den Pflegeeltern angekommen, erwartete uns ein anderes sonderbares Ereignis. Bei dem ersten Frühlingsgewitter, hatte ein Blitz die Umspannungsstation zerstört. Der gesamte Bezirk Kamenz mußte drei Abende mit Kerzenschein verbringen, wenn es auch ärgerlich war, so war es dennoch romantisch, was die Kinder besonders sehr lustig fanden.

In den nächsten Tagen zeigte ich meiner Familie die Sehenswürdigkeiten der Lessingstadt Kamenz, sie war von der idyllischen Stadt und Umgebung außerordentlich begeistert. Ich führte sie auch an die Stelle, wo mich meine Stiefmutter als Kind zwischen deutscher und russischer Front aussetzte und ich von herumschwirrenden Granatsplittern verletzt wurde.

Da der Ostersonntag ein herrlicher warmer Tag war, machten wir eine Spaziergang. Mein Pflegeonkel hatte das 2 KM entfernte Feldschlößchen vorgeschlagen, was leider geschlossen war. Das nächste Ziel war die Quarkschenke in Lückersdorf, nachdem auch dieses zu hatte, kehrten wir in der Gaststätte Moritzburg ein. Was uns da vorgesetzt wurde, spottet jeder Beschreibung , der bröselige Streuselkuchen hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, hätte beinahe zu stauben angefangen. Der Kaffee war purer Hohn, er erinnerte mich an den Muckefuck, der während des Krieges aus Eicheln bestand. Als ich die Bedienung fragte, was ist denn das für ein undefinierbares Gebräu. Worauf der Wirt hinter dem Tresen mit echt Eduscho antwortete, dabei Daumen und Zeigefinger zeigte. Nachdem ich mich verarscht fühlte, sagte ich kurz, auf einen Hektoliter eine Bohne reingehalten. Der Wirt verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Wenn auch manches im Argen lag und vieles nicht zu haben war, aber die Wurstsorten hatten einen unbeschreiblich gut gewürzten Geschmack. Beim Frühstück, sowie beim Abendbrot entwickelten meine Kinder einen gesunden Appetit, was meine Pflegeeltern sehr freute. Auch das frische Brot vom Bäcker schmeckte meiner Familie vorzüglich.