DDR Besuch 1975 Teil 3

Da wir uns keinen weiteren Ärger aussetzen wollten, stiegen wir voller Frust rasch in unser Auto und fuhren los. Vor lauter schimpfen und diskutieren mit meiner Frau, Übersah ich das grüne Schildchen Hirschberg, was auf den DDR Grenzübergang hinwies. Ich hätte an dem Abzweig in Richtung Gera abbiegen müssen, so fuhr ich irrtümlich geradeaus nach Plauen weiter. Nach ungefähr 20 KM bemerkte ich den verhängnisvollen Fehler, aber da war es leider schon zu spät. In der Annahme es müsse noch eine Abfahrt kommen fuhr ich weiter und stand plötzlich vor der Autobahnabsperrung, die Autobahn Plauen war noch nicht ausgebaut. Meine Frau und ich schauten uns an und fragten uns, was nun, zurückfahren war nicht drin.

Ich stieg aus um die Lage zu peilen und sah nur einen Ausweg, wenn auch gefährlich so war es die einzige Möglichkeit. Außerdem wollte ich schnellstens die Autobahn verlassen, bevor die Polizei auftaucht. Ich stieg wieder in das Auto und sagte zu meiner Frau und meinen Kindern haltet euch fest, wir machen eine riskante Höllenfahrt. Vor uns lag ein Kartoffelacker welcher ca. 200 m steil abwärts führte. Im ersten Gang holperte ich den Hang hinunter, wobei ich Angst hatte einen Achsschaden zu erleiden, zum Glück ging es gut. Endlich unten angelangt, stand ich auf einem Feldweg. Nun war Rat teuer nach links oder rechts, da ich rechts in weiter Ferne eine Person stehen sah, entschied ich mich für diese Richtung. Bei der Person angelangt, entpuppte sich diese als ein Hippie. Ich hielt kurz an und fragte ihn wo ich mich hier eigentlich befinde. Bevor er antwortete starrte er uns an, als wäre soeben ein UFO neben ihn gelandet.

Nachdem er sich gefangen hatte, teilte er mir auf sächsisch mit, dass wir uns im Grenzbezirk Plauen befinden. An seinem Gesicht erkannte ich, dass er Mitleid mit uns hatte. Seine Auskunft verband er mit einer Hiobsbotschaft, hier werden sie bestimmt hops genommen. In Plauen sind Polizei, Zoll, Grenztruppen, NVA und Russen stationiert. In Plauen gibt es aber das gelbe Hinweisschild mit Transitverkehr an welches ich mich halten müsse. Die Transitstrecke führe in der Richtung Schleiz zur Grenze nach Hof.

Nachdem uns keine andere Wahl blieb fuhren wir mit gemischten Gefühlen nach Plauen. In der Stadt angekommen, wimmelte es von Uniformierten aller Gattungen. So sehr ich mich auch nach dem Transitschild umschaute, es war keines zu sehen. Langsam wurde ich nervös, zumal mich die Blicke der Uniformierten verfolgten. Rein intuitiv folgte ich der Strasse in westlicher Richtung, wo am Stadtrand endlich das Schild zu sehen war. Ich konnte es nicht glauben, dass ich bis dahin nicht beheligt wurde. Als sich aber dann hinter mir mit hoher Geschwindigkeit ein Jeep näherte, bekam ich Fracksausen. Ich wollte schon anhalten, da fuhr der Jeep in welchen russische Offiziere saßen an mir vorbei. Sie grüßten mich freundlich mit der Hand an der Mütze und setzten ihren Jeep vor unser Auto. Nach einigen Kilometern blinkte der Jeep rechts und hielt an, mit der Hand forderte mich der Fahrer zum Vorbeifahren auf. Auf einer Anhöhe sah ich russische Soldaten beim Exerzieren. Kurze Zeit später erreichte ich ohne Schwierigkeiten Schleiz, wo ich auf die Autobahn fahren konnte.

Zum DDR Grenzübergang Hirschberg war es nicht mehr weit, insgeheim hofften wir, dass es keine Schwierigkeiten gibt. Was uns da jedoch erwartete, ließ uns die Haare zu Berge stehen. Wir waren etwa noch 100m von der Grenze entfernt, da sah ich wie die Fahrzeuge auf der mittleren von 3 Spuren sehr schnell abgefertigt wurden. Mit einem Wink beorderte man mich alsdann auf diese Spur.

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Foto aus 'Straßen der DDR' von Michael Krone, Verlag SCHNEIDER TEXT

Kaum hatte ich angehalten, forderte der DDR Grenzer uns mit rüden Ton auf, auszusteigen. Anschließend befahl er uns mit militärischen Ton und Haltung, heben sie die hintere Sitzbank hoch und öffnen sie vordere und hinter Autohaube. Nachdem er gründlich den Inneraum unseres Autos inspiziert hatte, sah er akribisch unsere Papiere durch. Der nächste Befehl lautete, legen sie ihre Koffer auf den Tisch und öffnen sie diese.

Als erstes sah er die neuen Kindersandaletten, welche meine Pflegetante im letzten Moment gekauft und reingesteckt hatte. Ich hatte vergessen sie in die Zollerklärung einzutragen, da kam schon der Vorwurf eines Zollvergehens. Daraufhin mußte ich die Inhalte unserer Koffer auf dem 5m langen Tisch ausbreiten. Nachdem er noch einen bunten Cognacschwenker sah, brüllte er, na was haben wir denn da. Beim Vorschein eines Aluminiumbechers, flippte er total aus und schrie, sie führen da verbotenes Volksgut aus, indem ich einen Zinnbecher ausführen würde. Ich versuchte ihn aufzuklären, dass es sich hierbei um Aluminium handelt. Da brüllte er, wollen sie mir etwa unterstellen dass ich Zinn von Aluminium nicht unterscheiden kann. Ich konterte, ich komme aus der Metallbranche und weiß wie Zinn aussieht. Er nahm den Becher und verschwand im Kapphäuschen. Da auf dem Boden des Bechers "Kongress der Rechtsanwälte" eingetragen war, kam er nochmal kurz heraus und fragte, von wem ich diesen Becher habe, ich antwortete von meinem Pflegeonkel den ich besucht habe. Daraufhin ging er wieder in sein Büro und ließ sich eine halbe Stunde nicht mehr sehen.

Als er endlich wieder auftauchte, war seine Feststellung, der Besuchte sei doch gar kein Rechtsanwalt und ich solle ihm den Namen des ehemaligen Besitzers nennen. Nun bluffte ich, indem ich sagte, mein Onkel habe 2 leibliche Brüder und 3 Stiefbrüder, welche ich aber nicht kennen würde, daher könne ich nicht sagen wer Anwalt sei. Voller Wut verschwand er wieder für eine halbe Stunde (anscheinend Taktik), nachdem nun meine Familie unruhig wurde, sagte ich als er zurückkam, die Sachen können sie behalten. Wie Donnerhall schallte seine Stimme, wollen sie mich bestechen.

Da riß auch meine Geduld und ich sagte laut, ich verspreche ihnen diese Schikane hat für sie ein Nachspiel. Mein Pflegeonkel ist seit 1925 Mitglied der komunistischen Partei mit den höchsten Auszeichnungen und Verbindungen bis zur Spitze in Berlin. Sobald ich in der Bundesrepublik bin, werde ich ihm ein Telegramm schicken. Da mein Pflegeonkel selbst Polizeibeamter war, wird er sofort eine Untersuchung des Falles beantragen. Diese Mitteilung schlug ein wie eine Bombe. Ich konnte sehen wie der Grenzbeamte plötzlich einen roten Kopf bekam und sehr verlegen wurde. Auch seine Stimme hatte nun einen gemäßigten Ton als sagte er, packen sie ein und verschwinden sie. Ich fragte mich ernsthaft, warum ich das nicht früher zu ihm gesagt habe.

Nachdem wir Bundesdeutschen Boden erreicht hatten, atmeteten wir auf einem Parkplatz erleichtert auf. Meine Frau schwor, nie wieder fahre ich in die DDR, sie blieb dem treu. Durch die Irrfahrt und den Aufenthalt an der Grenze hatten wir wertvolle Zeit verloren. Es war bereits 20:00 Uhr als wir endlich in München ankamen. Auf der Heimfahrt rätselten meine Frau und ich wieso man uns an der Grenze so schikanierte. Ich konnte es mir nur erklären, dass uns die Autobahn Polizei gemeldet hatte und wir durch die Irrfahrt zeitmäßig überfällig waren und bereits erwartet wurden. Es kann aber auch sein, dass uns ein Organ in Plauen angekündigt hatte. Das Ganze werden wir leider nicht erfahren und ein mysteriöses Geheimnis bleiben.