DDR Besuch 1985

Nachdem wieder zwei Jahre ins Land gezogen waren, entschloß ich mich 1985 abermals in die DDR zu fahren. Für mich war es bereits Usus dass ich in der Autobahn Raststätte Frankenwald einen Zwischenstop einlegte. Mit dem Blick zum Grenzübergang beschlich mich das beklemmende Gefühl, was erwartet mich diesmal. Die bayrischen Grenzbeamten grüßten und winkten ohne mich anzuhalten durch. An der DDR Grenze das übliche Ritual, aussteigen, Türen, Motorhaube und Kofferraum öffnen. Nachdem der DDR Grenzbeamte die Papiere durchgesehen hatte, fragte er, haben sie Presseartikel und Tontragende Gegenstände dabei. Bevor ich antworten konnte, hatte er mit einem schnellen Blick ins Wageninnere die Kassette im Recorder entdeckt. Er forderte mich freundlich auf ihm diese zu zeigen. Als er den Titel Volksmusik sah, bat er mich, sie kurz anzuspielen. Mit einem in Ordnung, gab er mir meine Papiere zurück und wünschte mir einen angenehmen Aufenthalt in der DDR.

Nach einer Stunde Fahrzeit hatte ich plötzlich das dringende Bedürfnis kurz austreten zu müssen. Da die DDR Autobahnparkplätze dünn angesiedelt waren, fuhr ich schnell auf einen Behelfsparkplatz ohne Toilette. Ich stellte mich vor ein Gebüsch, da ich plötzlich ein Geräusch hörte, bückte ich mich und sah zwei am Boden liegende Männer. Die Beiden observierten mit einem Fernglas den Parkplatz. Welch ein Glück für sie, dass ich sie rechtzeitig bemerkte, sonst hätte ich sie lauwarm getauft. Nachdem mir der Spass an Erleichterung vergangen war, fuhr ich bis zum nächsten Parkplatz mit Toilette weiter.

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Foto aus 'Straßen der DDR' von Michael Krone, Verlag SCHNEIDER TEXT

Auf der Weiterfahrt gab es keine Probleme mehr. Da das Häuschen meines Freundes in dem Dorf Bischheim kurz vor Kamenz lag, hielt ich dort an. Ich hatte zwar wieder neuwertige Kleidung meiner Kinder dabei, welche ich aber diesmal nicht abgab. Meine Pflegetante hatte gebeten, dass ich sie für die Enkel ihrer Betreuerin mitbringe, was mich später sehr ärgerte. Zum Trost gab ich meinem Freund 2 Packungen Kaffee, Fischkonserven, Südfrüchte und für seine Kinder Süßigkeiten.

Kaum war ich bei meinen Pflegeeltern angekommen, als auch schon die Betreuerin erschien, wie schon früher requirierte sie mehrere Lebensmittel, als der Pflegeonkel dahinter kam, gab es Krach. Am meisten ärgerte mich, dass sie sich nicht einmal für die schönen Kindersachen bedankte. Im Gegenteil, sie verwehrte mir den Zugang zu ihrem Garten, als ich einmal meine Pflegeeltern abholen wollte. Am nächsten Tag stellte ich sie zur Rede, sie entschuldigte sich, dass sie mich nicht in den Garten lassen durfte, da ihr Schwiegersohn anwesend war und als Leutnant der NVA keinen Westkontakt haben darf. Ich konterte, aber seine Kinder dürfen Westklamotten tragen, wie paßt denn das zusammen, darauf konnte sie mir keine Antwort geben.

Es war nicht das einzige Mal dass ich mich über diese Person ärgerte, wenn ich mit meinen Pflegeeltern zum Intershop nach Dresden, Bautzen oder Hoyerswerda fuhr, fuhr sie immer mit und bestimmte was ich zu kaufen hätte. Da ihre Gier stets ins unermeßliche ging, machte ich nach Überschlagung der Preise einfach bei 100.- DM Schluß.

Eines Tages machte ich mit den Pflegeeltern einen Ausflug nach Moritzburg, als wir im Schloß einkehren wollten, war die Gaststätte wegen Überfüllung vorübergehend eine Stunde geschlossen. Ich fuhr nach Dresden mit der Hoffnung dort mehr Glück zu haben, leider war dies ein Trugschluß. Vor dem Ratskeller sowie vor den Prager Stub'n standen die Leute in Zweierreihen. Einlaß wurde nur in der Anzahl gewährt wieviel Personen das Lokal verließen. Nachdem mein Pflegeonkel wegen Unterzucker zu kollabieren drohte, mußte ich schnell handeln. Mir fiel die Reichsbahnkantine ein, wo ich als Kraftfahrer stets Zutritt hatte. Da ich immer noch im Besitz des Angestellten Ausweises bin, und diesen immer dabei habe, fuhr ich kurzerhand in das RAW (Reichsbahn Ausbesserungswerk). Wir konnten in der Kantine ohne Schwierigkeiten essen. Meine Pflegeeltern konnten nur noch den Kopf über meine Gerissenheit schütteln.

Da mein Freund, seine Frau, sowie die drei Kinder auch einmal im BMW mitfahren wollten, fuhr ich mit ihnen zum Baden an den Deutschbaselitzer Teich. Der große Teich liegt etwa 20 Kilometer nordöstlich von Kamenz. Während es für die Familie ein freudiges Ereignis war, im schönen BMW mitfahren zu dürfen, hätte es für mich aber ein unerhofft bitteres Ende nehmen können. Kaum hatte ich auf dem Parkplatz angehalten, stellte sich ein Wartburg neben mein Auto. Als der Fahrer ausstieg bemerkte ich, dass er mich argwöhnisch musterte. Im Abstand von ungefähr drei Meter ließ er sich auf der Liegewiese neben uns nieder. Obwohl ich stets das Gefühl hatte, dass er uns beobachtete und belauschte, schenkte ich ihm keine große Beachtung was ein grober Fehler war.

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Foto aus 'Straßen der DDR' von Michael Krone, Verlag SCHNEIDER TEXT

Nachdem wir einen Wochentag zum Baden ausgewählt hatten, war die Besucheranzahl sehr erträglich. Als am frühen Nachmittag vom nahegelegenen Militär Flugplatz Kamenz plötzlich Flugzeuge auftauchten. Es waren Schwenkflügel Jagdbomber (Suchoi) der NVA welche Übungsflüge durchführten. Da sie ungeheuer tief über den Teich flogen nahm ich meine kleine Kamera (Rollei), suchte mir eine günstige Position um ein paar Fotos zu machen. Bei der Rückkehr an meine Liegestelle, stellte ich fest, dass der ungebetene Nachbar nicht mehr da war. Zunächst machte ich mir keine besonders große Gedanken, bis zwei Herren auf mich zukamen.

Die beiden Herren wiesen sich als Angehörige des Mil-ND (Militärischer Nachrichten-und Sicherheitsdienst der NVA) aus. Ich wurde gebeten mit ihnen in einen Nebenraum der Badeanstalt mitzukommen. Im Nebenraum eröffneten sie sofort die Offensive, zeigen sie uns bitte ihren Pass. Nach Kontrolle des Passes konfrontierten sie mich mit der Feststellung, sie haben als Bundesbürger militärische Objekte der NVA fotografiert. Wenn ich sonst im Leben vor nichts Angst hatte, aber die Anschuldigung einer evtl. Spionage, ließen mir jedoch die Knie zittern. Ich spürte förmlich wie mir am Rücken der kalte Schweiß ausbrach.

Mit viel Mühe konnte ich sie von meiner Ahnungslosigkeit überzeugen, von dem Verbot nichts gewußt zu haben. Nachdem sie sich kurz beraten hatten, boten sie mir drei Möglichkeiten an. Als erstes Film raus, zweites Angebot die Beschlagnahmung der Kamera, oder aber die dritte Version Meldung an den SSD (Staatssicherheitsdienst). Natürlich entschied ich mich sofort für das erste Angebot und nahm den Film heraus. Für den weiteren Aufenthalt in der DDR gaben sie mir den Rat, wenn sie sicher in die Bundesrepubik zurückkommen wollen, unterlassen sie in Zukunft solche Aktionen. Mir fiel ein Stein vom Herzen, nicht auszudenken, wenn ich dem SSD gemeldet worden wäre. Eine zweite Flucht diesmal bestimmt unwahrscheinlich!

Bei der Rückfahrt in die Bundesrepublik war auf der gesamten Dresdner Autobahnbrüücke die Geschwindigkeit wegen Bauarbeiten von 100 k/mh auf 80, 60 und 40 heruntergesetzt. Während ich mich daran hielt, bretteterte ein Golf GT aus Essen an mir vorbei. Auf der Höhe Siebenlehn stand ein Polizist auf der Autobahn und winkte alle Verkehrsteilnehmer auf den Parkplatz. Ein hoher Polizeibeamter kam zu meinem Auto, grüßte mich mit der Hand an der Mütze und bat um die Fahrzeugpapiere. Er ging damit zum Meßwagen, nach einiger Zeit kehrte er zurück. Mit einem Lob an mich, war seine Meinung, dass sich die Fahrer der großen Fahrzeuge stets an die Verkehrsregeln halten, während die Lenker kleiner Autos immer denken, dass diese für sie nicht zutreffen. Da die Raser mit ihrem Auto vor mir standen, konnte ich sehen wie sie drei DM-Scheine (Hunderter) zum Fenster herausreichten. Mit einem freundlichen Gruß und gute Weiterfahrt wünschend, verabschiedete mich der Beamte.

Ich fuhr zum nächsten Parkplatz da erschien auch der rasante Golf, nachdem die Insassen ausgestiegen waren, fingen sie wie die Rohrspatzen lauthals zu schimpfen an. Ich ging hin und sagte, seid ihr von allen guten Geistern verlassen. Ihr wißt wohl nicht, dass die Parkplätze überwacht werden. Außerdem habt ihr selbst Schuld an eurer Misere, wie könnt ihr das Tempolimit nicht beachten. Daraufhin wurden sie ganz kleinlaut und dankten mir für die gutgemeinte Warnung. Meine Heimreise verlief diesmal ohne irgendwelche Probleme.