Arbeitswelt in der DDR

Nachdem Müßiggang in der DDR nicht geduldet wurde und jede Hand zum Aufbau des sozialistischen Staates gebraucht wurde, hatte man in jedem größeren Ort eine Arbeitsstellenvermittlung eingerichtet. Da ich in Bayern in der Landwirtschaft und in einer Gärtnerei gearbeitet hatte, wurde ich zur Maschinen Traktor Station (MTS) geschickt, welche für eine Landwirtschaft Produktion Gesellschaft (LPG) beauftragt war. Es war nicht zu fassen welche Arbeitsmethoden angewendet wurden, um das Plansoll zu erfüllen. Da wurden zum Teil kaputte, verrostete und verdreckte Maschinen und Geräte eingesetzt, worüber man nur den Kopf schütteln konnte.

Auch die Arbeiter gingen mit verbissenen Gesichtern lustlos der Tätigkeit nach, da paßte einfach alles zusammen - wie der Herr so das Gescherr. Zum Beispiel brachte man im Herbst die Wintersaat aus, obwohl es schon mehrere Tage geregnet hatte und die Traktoren und Sämaschinen versanken dann im dicken Morast. Als ich mich über den Zustand aufregte, sagte mir der MTS Vorgesetzte, und wenn es Sch.... regnet, wird das von der Obrigkeit vorgegebene Planquadrat bestellt. Nachdem ich mir keinen Maulkorb umhängen lassen wollte, verlangte ich meine Papiere.

Hans0001
Hans Stockmeier - Originalbild aus der Zeit

Die nächste Vermittlung war erfreulicher. Es war ein Motorenwerk mit 120 Werktätigen. In den Kriegsjahren wurden Sturmbootmotore für die Wehrmacht gefertigt, nun baute man für Traktoren 56 PS Dieselmotore. Das Werk wurde zunächst Phänomen, später Robur genannt. Als erstes fing ich in der Härterei an, mußte an Metallen die Stellen mit Lehm beschichten, welche nicht gehärtet werden durften. Die Teile wurden anschließend im heißen Ofen erwärmt bzw. zum Glühen gebracht. Um den gewänschten Härtegrad zu erreichen, wurden sie in ein Becken mit Wasser oder Öl getaucht. Wenn im Moment mal nichts zu härten war, wurde mir in der Zeitlücke das Autogen- und Elektroschweißen beigebracht.

Zum Bedauern meines Brigadiers wurde ich zum Motorenprüfstand (Bremse) abberufen. Nach kurzer Einweisung im Aufbau und Prüfung der Motore übertug man mir die alleinige Verantwortung der 4 Prüfstände. Das Anwerfen der Motore machte manchmal Probleme, sie wurden mit der Handkurbel auf hohe Geschwindigkeit gebracht und mit Lunte und drücken der Kompression gestartet. Gefährlich war es, wenn die Motore nicht gleich auf Anhieb ansprangen und die Kurbel zurückschlug. Während die Motore liefen, stellte ich für die nächsten Motoren anhand eines Schauglases Einspritzdüsen auf 120µm ein. Nachdem die Kollegen gern mein bayrisch hörten, versteckten sie mir ständig Werkzeuge und sonstige Utensilien. Wenn ich auf der Suche war und laut zu fluchen (Kreuzkruzefix Himmelhergott Sakrament) anfing, brach jedes mal schallendes Gelächter aus.

Da oft wegen Materialmangel die Produktion ausfiel, überbrückte man den Müßiggang mit Kartenspielen oder Zündholzknobeln, wobei reichlich Alkohol floß. Das Motto hieß demnach, "dagewesen". Die Frauen nahmen dann ihren monatlichen Haushaltstag, was auch spöttisch Waschtag genannt wurde. Nachdem es eine Verordnung gab, wonach Werksangehörige in der Paten LPG einen Tag Ernteeinsatz zu leisten habe, wobei die hohe Stellung der Person nicht zu berücksichtigen sei. Natürlich versuchte sich die Führungsschicht mit der Ausrede, sie seien unabkömmlich, zu drücken. In mir glaubten sie einen Dummen gefunden zu haben und wollten mir ihre Tage anhängen, was ich kategorisch ablehnte, daraufhin wurde ich als kleiner Revoluzzer angesehen. In dem Beitrag: Verhöre und Intrigen, werde ich darauf zurückkommen.

Wenn die vierteljährliche und Jahresprämie ausgezahlt wurde, gab es immer eine Meuterei. Die Ungerechtigkeit lag darin, dass die kleine Führungsschicht, welche Intelligenz genannt wurde, zwei Drittel der Prämien erhielt, wobei sich die weit größere Mitarbeiterschicht mit einem Drittel zufrieden geben mußte. Es war ohnehin unverständlich für was es die Prämien gab,es hieß ständig das Plansoll konnte nicht erfüllt werden. Der Zweifel lag für mich, im Zwiespalt, indem an die Parteispitze Übererfüllung des Plansoll gemeldet wurde.

Eines Tages rief man mich ins Büro und teilte mir mit, dass der Motorenprüfstand auf schwere LKW Dieselmotore umgebaut wird. Man stellte mich vor die Alternative am Bohrwerk zu arbeiten oder eine Grundausbildung zur Betriebskampfgruppe zu machen.

Nachdem ich probeweise ein paar Tage am Bohrwerk gearbeitet hatte und mir die Sauerei mit dem spritzenden Bohrwasser nicht gefiel, entschied ich mich für die kurze Ausbildung bei der NVA. Dort hatte ich die Gelegenheit den Führerschein Kl. 5 (West Kl.2) und Panzer Ausbildung (Typenkompass T34/T54) zu machen. Nach Rückkehr bot man mir an, mich an einer alten Drehbank anzulernen, da mir aber eine Kraftfahrerstelle vorschwebte, kündigte ich.

Hans0002
Hans Stockmeier - eigenes Originalbild aus der beschriebenen Zeit

Meinen Wunsch entsprechend, schickte mich die Stellenvermittlung in den 20 KM entfernten Ort Thonberg, wo im Schamottewerk ein Kraftfahrer gesucht werde. Als ich dort ankam, war die Stelle bereits besetzt. Man versprach mir, sobald wieder eine Fahrerstelle frei werde, an mich zu denken. Bis dahin sollte ich als Hilfsschlosser in der Schlosserei arbeiten. Da mir im Moment nichts anderes übrig blieb, sagte ich zu. Der Meister und die 15 Kollegen empfingen mich sehr freundlich. Zunächst fertigte ich Formkästen, welche mit Schamottmasse gefüllt wurden, später übertrug man mir die Wartung der riesigen Transportgehängebänder. Da es einmal wegen erhöhtem Bedarf an Schamottmaterial zu einem Engpass an Schamottsteinen kam, wurden zu Weihnachten Sonderschichten angesetzt, an welchen alle Mitarbeiter des Werkes teilzunehmen hatten.

Auf meiner Suche nach einer Kraftfahrerstelle kam mir das Glück zu Hilfe. Ich lernte auf einem Tanzabend ein Mädchen kennen, deren Bruder bei der Reichsbahn beschäftigt war. Er verriet mir, dass das Bw (Bahnbetriebswerk) einen Kraftfahrer für Fernfahrten suche. Ich ging sogleich am Montag hin, es war wieder Glück, dass ich mich beim Oberinspektor vorstellen mußte, welcher gleich begeistert war, einen Bayern vor sich zu haben. Nach einer gründlichen Augenuntersuchung in Hoyerswerda, konnte ich den Dienst bei der Reichsbahn antreten.
Im Beitrag: Intrigen und Verhöre werde ich darauf zurückkommen.