Mauerfall

Im Rückblick auf meine Zeit in der DDR, möchte ich mich gerne an den Song der Prinzen "Es war nicht alles schlecht" anlehnen. Wer gute Freunde und vertraute Kollegen hatte, konnte sich glücklich schätzen. Der Zusammenhalt ließ manche unangenehme Dinge leichter ertragen. Wenn man sich aus politischen Angelegenheiten heraus hielt und sich nicht provozieren ließ, war auch ein schönes Leben in der DDR möglich. Mit dem Zustand, dass nicht immer alles zu haben war, hatte man sich mit viel Geduld gewöhnt. Am meisten wurde nur die Reisefreiheit in die westlichen Länder vermißt. Die Bürger der DDR wären bestimmt ein zufriedeneres Volk gewesen, hätte die DDR Regierung in dieser Hinsicht etwas großzügiger gehandelt.

Nachdem die älteren Bürger der ehemaligen DDR über diese Zeit nicht mehr viel spricht oder aber auch verdrängt, erfährt die jüngere Generation darüber zu wenig und reden oft aufgrund von fehlendem eigenen Wissen und Erfahrungen darüber viel Unsinn. Deshalb ist es mein Bestreben einiges klarzustellen.

Wenn also negativ über die DDR geredet wird, muss man vor allem erst den schweren Anfang des Staates kennen. Die Bevölkerung hatte besonders schwer unter den Nachkriegsfolgen zu leiden. Die sowjetische Besatzungsmacht hatte in den Fabriken und Werken die Maschinen und sonstige Einrichtungen demontiert und in die Sowjetunion abtransportiert. Während man der Wirtschaft in der Bundesrepublik mit dem Marshallplan zum Aufschwung verhalf, wurde in der DDR dagegen die Einfuhr von Rohstoffen durch die Sowjetführung boykottiert bzw. verhindert. Außerdem war die DDR ein Agrarland, da ja die Schwerindustrie im Westen lag.

Der Aufbau des kaputten Landes ist vor allem dem deutschen Fleiß und Entbehrungen der Bürger zu verdanken, wozu auch eine hervorragende Berufsausbildung beitrug. Besonders bei Materialmangel waren die Handwerker sehr erfinderisch im reparieren und improvisieren. Schon die Entwicklung des Trabant aus Duroplast beweist, zu welchen großen Leistungen die Ingenieure, Techniker und Arbeiter fähig waren.

Nachdem die Zuverlässigkeit und Qualität der technischen Produkte auch im Westen bekannt und geschätzt war, ließen einige Kaufhäuser Waschmaschinen und Haushaltsgeräte z.B. unter dem Markennamen "Privileg" in der DDR herstellen. Auch Bekleidungshäuser bezogen Waren aus dem Osten z.B. Feinstumpfhosen. Leider waren damit Nachteile für die DDR Bürger verbunden. Erstens wurde es für sie zur Mangelware und zweitens konnten oft die horrenden Preise nicht bezahlt werden. Ein weiteres Ärgernis war, dass man durch Export in den Westen für sein Geld nur Waren zweiter Qualität erhielt. Devisen hatte gegenüber den Bedürfnissen des Volkes stets Vorrang.

Was den sozialen Bereich betrifft, waren sie gegenüber westlichen Ländern in vielem voraus. Bei gesundheitsschädlicher Tätigkeit bekam man pro Tag einen Liter Vollmilch, sowie einen zweiwöchigen Sonderurlaub. Die Werktätigen Arbeiterinnen erhielten einmal im Monat den freien Haushaltstag. Außerdem gab es kostenlose Kinderkrippen, sowie schöne Kindergärten.

Für Jugendliche stand die Tür zu verschiedenen Vereinen und sportlichen Clubs offen. Die Mitgliedschaft hatte gewisse Vorteile, indem man kostenlos an sehr schönen Ausflugsfahrten, Besichtigungen, sowie an sportlichen und kulturellen Veranstaltungen teilnehmen konnte.

Auch an Senioren wurde gedacht. Für die Rentner/inen die ihren Lebensabend nicht bei Angehörigen verbringen konnten, gab es Feierabendheime in denen sie gut und fürsorglich betreut wurden. Die soziale und ärztliche Versorgung war stets gewährleistet.

In manchen Dingen war die DDR sogar fortschrittlicher als der Westen. Zum Beispiel Ampelmännchen (mit Hut) und bei rot grüner Pfeil zum Rechts abbiegen, vorausgesetzt niemand wurde dabei gefährdet. In VHS (Volkshochschulen, auch Abendoberschulen genannt) wurden bereits in den fünfziger Jahren Schulungen, Lehrgänge und Seminare angeboten.

Einen bedauerlichen Fehler machten sie mit der Vermarktung ihrer guten Erzeugnisse. Vor lauter Schwärmen für Westprodukte, verschmähten sie die eigenen. Nur die Spreewalder Gurken und Pulsnitzer Lebkuchen waren ein Renner. Erst als ein findiger Unternehmer nach dem Mauerfall die Konservendosen mit westlichen Etiketten Design versah, besann man sich auf die Qualität ihrer eigenen Produkte. Die Würzung der Thüringer Wurstsorten war ohnehin unübertroffen, da konnte der Westen in keiner Weise mithalten.

Mit Interesse verfolgte ich den langsamen Aufbruch der DDR Bevölkerung in die Freiheit. Es ging in der deutschen Botschaft in Prag los, als der Außenminister den vielen Besetzern die Ausreise in die Bundesrepublik verkündete. Nachdem auch in Leipzig die Menschenmassen mit dem Ruf "Wir sind das Volk" auf die Straße gingen und friedlich demonstrierte, hatte ich ein ungutes Gefühl. Mir war das Jahr 1953 noch in Erinnerung wo die Sowjets mit Panzern den Aufstand erstickte.

Nur dem Umstand war es zu verdanken, dass am 9 November 1989 die Regierungschefs der USA und UDSSR mit Weitblick an der Macht waren. Sie hatten die Zeichen der Zeit erkannt und die Weichen für die Wiedervereinigung gestellt. Da konnten selbst die DDR Machthaber mit ihren Betonköpfen nichts mehr ändern.

Ich konnte es nicht fassen, als ich im Fernsehen die Grenzöffnung in Berlin sah. Es war ein unglaublicher Augenblick, welche Emotionen da frei wurden. Jubel, Freude und auch Tränen waren zu sehen. Wildfremde Leute aus Ost und West umarmten und küssten sich.

Als ein paar Tage später die Bundesregierung 100.-DM Begrüßungsgeld anbot und auszahlte, bewegten sich unendlich lange Kolonnen knatternder und blauen Dunst hinterherziehende Trabants und Wartburgs in Richtung Westen. In manchen Grenzorten war man dem großen Ansturm nicht gewachsen. Einige Gemeinden hatten gar nicht soviel Geld vorrätig, es mußte oft von anderen Gemeinden geliehen werden. Am meisten freuten sich die Geschäftsleute auf den Boom, im Nu waren die Regale leergekauft.

Dem Enthusiasmus nach dem Mauerfall folgte bald die Ernüchterung. Durch Treuhandgesellschaften, versetzte man vielen angeschlagenen und maroden Betrieben den Todesstoß. Anstatt zu investieren, wurde Brauchbares ausgeräumt und mitgenommen. Die Folge war die Abwanderung der jungen Bürger aus der ehemaligen DDR in die alten Bundesländer.

Damit traf das Schicksal wieder die ältere Generation. Zuerst 40 Jahre auf der Schattenseite von Gut und Böse, dann wurden sie auch noch allein- und zurück gelassen. Sie mussten zusehen, wie sich ganze Landstriche entvölkern und dem Verfall preisgegeben werden.

Die Wiedervereinigung war ohnehin von Dilettantismus geprägt. Während die DDR-Regierung nur über Frieden aber nie von Wiedervereinigung sprach, posaunte die Bundesregierung 40 Jahre das Ziel der Wiedervereinigung hinaus. Als es endlich soweit war, war kein Konzept in der Schublade. Anstatt die beiden unterschiedlichen Staatengebilde durch eine Föderation langsam anzugleichen, wurden sie kopflos zusammen geschustert.

Der nächste große Fehler war, dass man die Wiedervereinigung mit dem Griff in die Rentenkasse finanzierte, gerechter wäre es mit Steuermitteln gewesen.

Über das Versprechen von blühenden Landschaften, konnte ich nur den Kopf schütteln. So etwas konnte nur einer sagen, der keine Ahnung von der DDR hatte. Meine Meinung war, dass es mindestens 50 Jahre dazu braucht vernünftig zusammenzuwachsen, wenn nicht noch länger.

Da ich heute 2 Trabi's fahre, möchte ich meine Schilderungen mit einer kleinen Trabi-Episode beenden. Als ich 1990 mit meinem Kollegen nach Dresden fuhr, mussten wir bei Pirk von der Autobahn herunterfahren, da die Brücke noch nicht fertig war. In der Talsenke angekommen, senkte sich in dem Augenblick vor unserem BMW 525 die Bahnschranken. Nach sehr langem Warten, kam langsam ein 80 Waggon langer Güterzug auf dem sich nur Trabi befanden. Da der Zug in Richtung Osten fuhr, machten mein Kollege und ich ein abfällige Armbewegung in diese Richtung. Das hätten wir lieber nicht tun sollen.

Plötzlich stiegen die Fahrer der hinter uns stehenden Trabi und Wartburgs aus. Lautstark fing die Meute auf sächsisch zu maulen an: "Na gucke mal, die verunglimpfen unsre scheenen Autos, blos weil se een dicken BMW ham.!" Am hysterischten waren die Frauen. Nachdem die Situation immer bedrohlicher wurde, stiegen wir in unser Auto und hofften, dass die Schranken bald hochgehen würden. Als dies nach quälend langen 15 Minuten endlich geschah, legte ich einen solchen Kavalierstart hin, dass ich quer über die Gleise rutschte. Mein einziger Gedanke war: Nur weg hier, bevor wir gelyncht werden! Damals hätte ich nie gedacht, dass ich später einmal so schöne Trabi's fahren würde. Wer hätte damals schon ahnen können, dass sie einmal nostalgischen Charakter bekommen würden.

Hiermit möchte ich meine Beitragsreihe schließen, wenn sie auch von Einem oder Anderen für Märchen gehalten werden. Dazu kann ich nur sagen, das es wahre Berichte sind, und ich kein Märchenonkel bin.

Zum Abschluß möchte ich mich für die Befürwortung meiner DDR- und Trabi-Beiträge bei dem BTC Vorstand Peter Benkner und Michael Unger, sowie der Schriftführerin Renate Benkner herzlich bedanken. Einen besonderes Lob und Danke möchte ich für Korrektur und Layout unserem genialen BTC Webmaster Freeliner aussprechen.

PS. Sollte es erwünscht sein, könnte ich noch weitere lustige und spannende Begebenheiten schreiben, welche ich in den 70er Jahren in der DDR erlebte.