Sonstige Vorkommnisse

Am Sonntag den 13.10.1957 fand zur Überraschung der DDR Bürger plötzlich ein Geldumtausch statt. Mit dieser Aktion wollte man den Schwarzhandel Ostmark-D Mark 5:1 unterbinden, außerdem die Binnenwährung stärken. Damit das Unterfangen auch Erfolg hat, startete man das Ganze in einem geheimen nächtlichen Vorgang, wobei auch die Grenzen nach Westberlin gesperrt wurden.

Ich war spät bzw. in der Frühe nach Hause gekommen, da weckte mich meine Pflegetante. Ihre Worte waren, Hans steh bitte auf wir müssen sofort auf die Bank gehen und unser Geld umtauschen. Schlaftrunken antwortete ich, gibt es endlich Westgeld. Sie reagierte darauf sehr entrüstet und meinte, für sie sei das kein Spass. Da pro Person nur 300.-Mark umgetauscht werden konnte, läuteten Geschäftsleute an unserer Haustüre Sturm. Da sie viel Bargeld in den Kassen hatten, baten sie in ihrer Verzweiflung die Kunden, Geld zum Umtausch mitzunehmen. Es wurden nur Bankguthaben vom Umtausch befreit und mit neuem Geld gutgeschrieben. Sinn und Zweck war es auch, gehortetes Geld abzuschöpfen, welches regelmäßig nach Westberlin geschafft und in DM gewechselt wurde.

Als meine Pflegeeltern und ich zur Bank kamen, herrschte dort ein heiloses Chaos. Die Angestellten waren dem Ansturm der Menschen nicht gewachsen, die in Schlangen vor der Tür anstanden. Es musste ja bevor der Umtausch erfolgte akribisch in Pass oder Ausweis eingetragen werden. Auch Empörungen wurden immer wieder laut, welche aber sofort von anwesenden Ordnungsbeamten im Keim erstickt wurden. Für einige kleine Geschäftsleute endete die Aktion in Ruin und Suizid.

Im November 1958 fand die dritte Volkskammer Wahl statt, in der sämtliche Parteien in der Nationalen Front zusammen geschlossen waren. Da man keine eigenständige Partei wählen konnte, erübrigte sich das aufsuchen der vorhandenen Wahlkabinen. Der erhaltene gröne und rote Wahlzettel wurde sofort in die Wahlurne gesteckt. Das Wahlergebnis war wie in den zwei voraus gegangenen Jahren mit 98 % für die Nationale Front zu erwarten. Aus diesem Grund wollten mein bester Freund Werner und ich an dieser Farce nicht teilnehmen. Nachdem jeder Wahlberechtigte Bürger die Pflicht hatte von ihren Wahlrecht bis 18:00 Uhr Gebrauch zu machen, hatte man uns eine Stunde vor Schließung des Wahllokals schon vermisst.

Wir saßen gemütlich in unserer Stammkneipe bei Buschas, als plötzlich der uns bekannte Wahlhelfer auftauchte. Von meinen Pflegeeltern hatte er die Auskunft erhalten dass wir da anzutreffen sind. Bei der Frage warum wir nicht beim Wählen waren, stellten wir uns dumm und fragten, welche Wahl findet eigentlich statt. Natürlich begriff er dass wir ihn damit auf den Arm nahmen, er blieb dennoch freundlich und bat uns mitzukommen, um ihm Ärger zu ersparen gingen wir mit. Im Wahllokal angekommen, schnautzte man uns sofort an, ob wir eine extra Einladung brauchen.

Da in der DDR Wohnungsmangel herrschte, gab es für Jungvermählte die Möglichkeit sich in einer Wohnungsaufbau Gesellschaft (AWG) anzumelden. Je nach Wohnungsgröße mussten 4-6 Monatsverdienste eingezahlt und in der Freizeit 200 Aufbaustunden geleistet werden. Wer das Glück hatte, bekam bereits nach 3 Jahren eine Zuweisung in einem Plattenbau. Der Nachteil einer solchen Wohnung war, die Wände waren so dünn, dass man den Nachbarn beim Zwiebackessen hören konnte. Was besonders beim Sex oft sehr peinlich war.

Bei Geburtstagsfeiern wenn sich Verwandte und Bekannte trafen ging es immer hoch her. Es entstanden aber auch oft hitzige Diskussionen über die mangelnde Versorgung an Lebensmitteln und sonstigen Gebrauchsgegenständen. Aus diesem Grund verfiel man wie in der Steinzeit dem Tauschhandel mit Naturalien, welche durch Kauf oder bei anderen Gelegenheiten günstig ergattert werden konnten. Zum Beispiel kaufte man 2 Badewannen um eine zu gegebener Zeit für Fliesen oder ein paar Säcke Zement einzutauschen. Der krasseste Fall war, nachdem es keine Schuhcreme gab, kauften die Leute Lackschuhe, welche nur abgewischt wurden.

Am besten blühte der Handel mit Auto Ersatzteilen für Trabant und Wartburg, hier wurden hohe Gewinne erzielt. Da die Herstellung von Ersatzteilen begrenzt war, horteten viele Autobesitzer die Mangelware. Einige Besitzer solcher Raritäten gaben daher trotz hohen Geldangeboten nichts ab, was wiederum die Preise hoch trieb.

Das größte Thema war, wie kommt man schnell zu einem Auto. Wer Glück hatte, konnte durch Vermittlung, natürlich mit Vitamin B zu einem Gebrauchtwagen kommen. Zum Kauf eines neuen Trabant musste man beim VEB IFA Vertrieb Dresden einen Bestellschein einreichen. Die Wartezeit betrug bei Standard ca. 10-12 Jahre, bei gehobener Ausführung 16 Jahre. Deshalb wurde schon bei der Geburt eines Kindes eine Bestellung abgegeben.

Der sechzigste Geburtstag meines Pflegeonkel wurde sehr spektakulär begangen. Schon am frühen Morgen kamen die ersten Gratulanten, einige Schnapsdrosseln und Schluckspechte blieben sogar bis zum Kaffeetisch am Nachmittag. Auch eine Abordnung bestehend aus Stadtrat, Parteigenossen und Dienstkollegen kamen zur Gratulation. Es dauerte nicht lange da hatten sie sich in ihrer Lobhudelei über die Errungenschaft des Sozialismus in Ekstase geredet. Als sie meine Meinung dazu hören wollten, erlaubte ich mir den Einwand dass da noch etliche Regiefehler vorhanden sind.

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Foto aus 'Straßen der DDR' von Michael Krone, Verlag SCHNEIDER TEXT

Argwöhnisch fragten sie, welche das wären. Ich wies auf die fehlende Sanierung bedürftiger Häuser hin, man überlässt sie dem Verfall bis zum Ruin. Auch die Natur komme zu kurz, Bäche und Flüsse werden mit übelriechenden Chemiekalien verseucht. Mit lapidaren Ausreden versuchten sie die peinliche Situation zu retten. Schließlich stellte ich die Frage, warum es in der Stadt außer Polizeihunden keine Haustiere gibt. Ein Tischnachbar flüsterte mir mit vorgehaltener Hand zu, dass wir selber nichts zu fressen haben. Um weiteren unangenehmen Fragen keinen Nährboden zu geben, hatten es die Linientreuen auf einmal sehr eilig und verabschiedeten sich. Meinen Pflegeeltern war es zunächst peinlich, insgeheim doch froh den Stress los zu sein. Kritik wurde eben nur widerwillig hingenommen.